Zum Inhalt springen

Billig, sofort und bitte reinrassig – die Welpen vom Fließband

Elena Klee, eine engagierte Tierschützerin unseres Vereins hat diesen tollen Artikel geschrieben, der auch bereits am 03.07.21 in der Odenwälder Zeitung veröffentlicht wurde:

Ausgelaugt, krank und viel zu früh von Mutter und Geschwistern getrennt, das sind die Welpen, die am Ende ihrer Reise bei ihren Käufern ankommen – am Ende ihrer Reise und am Ende ihrer Kräfte. Ihre Mütter, die Hündinnen, die am Fließband produzieren müssen, im engsten Raum, in Exkrementen lebend, selbst krank und schwach, dürfen auf Betonböden ihre Welpen werfen. Sobald wie möglich werden sie wieder gedeckt, hormonellem Doping sei Dank kann die Produktion nahtlos weiter laufen. Sind die Hündinnen nicht mehr funktionstüchtig, werden sie erschlagen oder es wird sich ihnen anderweitig entledigt. Und die Rüden? Ihnen werden extra Hormone gespritzt, um ja höchste Lieferfähigkeit zu bringen. Auch sie fristen in ihren Gefängnissen ihr erbärmliches Dasein bis sie wieder decken müssen, ihre einzige Möglichkeit aus ihrem Verließ zu kommen. Artgerecht? Fehlanzeige. Ja, das ist das wahre Leben der BILLIG-UND-SOFORT Hunde der Tiervermehrer und Tierquäler.

Welpen vom Fließband, eine weitere Abart des Menschen und eine ganz besondere der heutigen Gesellschaft. Das Geschäft boomt, Tierquäler und Tiervermehrer – zumeist aus osteuropäischen Ländern – profitieren in höchstem Maße von der Corona-Pandemie und der Blauäugigkeit und Unüberlegtheit mancher Hundefreunde. Aber: Sind es wirklich Hundefreunde, die sich Hals-über-Kopf unbedingt einen Rassehund zulegen wollen, komme was wolle? Billig sollen sie sein, schnell zu haben, bitte aber mit Papieren! Ein süßer Labrador, ein stattlicher Boxer, ein kuscheliger Husky, ein knopfaugensüßer Mops und „Handtaschenhündchen“ wie Zwergspitz, Chihuahua & Co., das soll es sein. Dass die Papiere Fälschungen sind, das wird vielleicht auf den dritten Blick klar. Und dass man damit seinen persönlichen Beitrag zur „industrialisierten“ Tierquälerei leistet, das wird vielleicht durch das mulmige Bauchgefühl gespürt, aber letztendlich wird weggesehen.

Die organisierte „Welpenmafia“ ist kein Phänomen der Corona-Pandemie, jetzt – seit 2020 – hat sie allerdings einen unbändigen Aufschwung erhalten, denn Homeoffice und Isolation fördern das Bedürfnis nach einem kuscheligen Vierbeiner, ob für Erwachsene oder Kinder.

Der Anstieg der kapitalisierten Tierquälerei ist dramatisch, so gibt es laut Deutschem Tierschutzbund einen tiefschwarzen Ausblick für das laufende Kalenderjahr. Wenn schon in den Monaten Januar bis März 2021 rund 800 Tiere aus 112 Fällen beschlagnahmt wurden, was ist dann die Prognose? Macht man sich bewusst, dass es sich bei den erfassten drei Monate um einen Anstieg von etwa 2/3 der dokumentierten Fälle von letztem Jahr handelt, und vergleicht man dann noch mit den Zahlen aus 2019, verfällt man regelrecht in Schockstarre: der illegale Welpenhandel hat sich von 2019 auf 2020 fast verdreifacht. Wohlgemerkt sind das nur die Zahlen bekannt gewordener Fälle, die Dunkelziffer ist endlos.

ABER: Es wurde und wird weiterhin daran gearbeitet dem illegalen Welpen- und Tierhandel das Handwerk zu legen – natürlich auf der Ebene der Tierschutzorganisationen mit beispielsweise Petitionen und kontinuierlicher Aufklärungsarbeit. Es geht noch weiter bis zur Bundesebene. So stellt z.B. die Kontrolle des Onlinehandels einen wichtigen Schachzug dar, um das sich das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft BMEL kümmert. Auch auf EU-Ebene ist das Ministerium aktiv, schließlich sind die meisten Standorte der Welpen-Zuchtfarmen im Ausland. Eine weitere Aktivität ist die Informationsoffensive „STOPP dem illegalen Welpenhandel“, die seit Mai diesen Jahres in Kooperation mit der Bundestierärztekammer, dem Bundesverband Praktizierender Tierärzte, dem Bundesverband der beamteten Tierärzte und der Tierärztlichen Vereinigung für Tierschutz e. V. gestartet ist. Zielgruppe sind vor allem Hundeinteressenten, sie sind diejenigen, die einen neuen vierbeinigen Freund fürs Leben suchen und sie sind ebenfalls diejenigen, die das Wissen weiter geben können, schließlich beschäftigt sie das Thema Welpenzuwachs aktueller als andere.

„Für uns ist das Bekämpfen der Symptome keine Dauerlösung und wird wahrlich nicht den Erfolg bringen, dafür ist die Macht der organisierten „Welpenmafia“ zu groß. Die Ursachen zu bekämpfen, verspricht mehr, daher muss das „Billig-sofort-und-bitte-reinrassig“-Verhalten geändert werden. Die größte Kraft liegt darin die Nachfrage zu stoppen und damit einhergehend die illegalen Verkaufsabsichten noch vor der Bestellung und Auslieferung zu unterbinden“, so Gisela Bloos, 2. Vorstandsvorsitzende der Tierschutzinitiative Odenwald e.V. und der Tierschutzinitiative ohne Grenzen e.V.

Jeder von uns kann gegen die Welpenproduktion vom Fließband etwas tun, indem er Augen und Ohren aufhält und Courage zeigt, die Polizei zu rufen wenn Verdacht auf kriminelle, tierschutzwidrige Aktivitäten besteht. Der illegale Welpenhandel findet nicht einfach nur in Großstädten, wie z.B. Berlin statt, wo der Hauptumschlagsplatz ist, sondern überall – vielleicht auf dem Parkplatz nebenan… Eben auch in der Region Rhein-Neckar- und Bergstraße, so wie es der Fall aus Ladenburg im Monat März bewies. Ein Welpentransport konnte gestoppt werden, weil wachsame Nachbarn das qualvolle Jaulen der Welpen aus einem Transporter gehört haben, der unweit von ihrer Wohnung abgestellt war. Die Polizei wurde verständigt, die Welpen beschlagnahmt und dann vom Tierheim Weinheim aufgenommen.

Wachsamkeit und Courage sind auch bei verdächtigen Aktivitäten in unserer Parallelwelt geboten, dem Internet, wo die Angebote auf verschiedensten Online-Plattformen geschaltet werden. Auch zweifelhafte Bilder und Textbeiträge, die in Foren und Gruppen von sozialen Plattformen wie Facebook, TikTok, Instagram usw. erscheinen, sollten kritisch betrachtet und im Zweifel lieber gemeldet werden. Besser einmal zu viel melden, als die Augen verschlossen zu halten und nichts getan zu haben. Eine weitere Möglichkeit seinen eigenen persönlichen Beitrag gegen den illegalen Welpenhandel zu leisten, sieht Diana Wolf, 1. Vorstandsvorsitzende der Tierschutzinitiative Odenwald e.V. und der Tierschutzinitiative ohne Grenzen e.V. im Informationsaustausch und das Teilen der Informationen und des Wissens. Nur Kopf-Schütteln und Bedauern hilft nichts, aktives Handeln und wohlüberlegtes Verhalten ist gefragt.

© Tierschutzinitiative Odenwald e.V. und Tierschutzinitiative ohne Grenzen e.V., Text: Elena Klee, Bild: Diana Wolf


Quellen:
11.05.2021 „STOPP dem illegalen Welpenhandel“, Pressemitteilung Nr. 84/2021 des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft, www.bmel.de
10.05.2021 „Auswertung zum illegalen Heimtierhandel 2020: Dramatischer Anstieg illegal gehandelter Tiere durch Corona – Tierschutzbund stellt düstere Prognose für 2021“, Artikel vom Deutschen Tierschutzbund e.V., www.tierschutzbund.de
30.03.2021 „Illegaler Welpenhandel – Weinheimer Tierheim hofft auf Spenden“, Presseartikel der Rhein-Neckar-Zeitung, www.rnz.de
24.03.2021 „Illegaler Welpenhandel: Das Geschäft mit dem Leben“, Artikel aus dem Magazin TIERSCHUTZ AKTIV von VETO Vereinigung europäischer Tierschutzorganisationen gemeinnützige GmbH, www.veto-tierschutz.de


Link zum Artikel in der Odenwälder Zeitung